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In der Gesamtsynthese auf dieser Seite werden die wichtigsten Erkenntnisse, Best Practices und Empfehlungen aus den Leibniz-Pilotvorhaben zum klimaneutralen Forschungsbetrieb zusammengefasst und deren Bedeutung eingeordnet.
Im Fokus stehen gemeinsame Erfolgsfaktoren, wiederkehrende Herausforderungen sowie bewährte Ansätze und Strategien. Die Synthese soll institutsübergreifende Learnings sichtbar machen und als Orientierungshilfe für zukünftige Klimaschutzaktivitäten in der Leibniz-Gemeinschaft dienen.
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Die Leibniz-Gemeinschaft hat vom Frühjahr 2023 bis Sommer 2024 insgesamt zehn Pilotvorhaben zum klimaneutralen Forschungsbetrieb initiiert. Die Intention der Pilotvorhaben war es, dem Streben in Richtung Klimaneutralität[1] der Leibniz-Gemeinschaft als systematischen Auftakt zu dienen. Als Best-Practice-Beispiele sollen die zehn Vorhaben auch anderen Instituten eine Orientierung bieten, die sich auf den Weg in Richtung Klimaneutralität begeben.
Entsprechend ihrem Leitbild Nachhaltigkeit geht die Leibniz-Gemeinschaft davon aus, dass effektiver Klimaschutz nur als integraler Bestandteil der Forschungskultur, des Alltagsbetriebs und der Organisationsentwicklung erreicht werden kann. Die große wissenschaftliche und strukturelle Vielfalt der Leibniz-Institute – von den Lebens- und Umweltwissenschaften über Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften bis zur Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaft – schafft dabei sowohl Herausforderungen als auch Potential für Innovation.
Die Umsetzungsrealität in den Pilotvorhaben zeigt: Auf dem Weg zur Klimaneutralität stoßen alle Einrichtungen auf ähnliche Kernfragen. Dazu gehören das systemische Erfassen und Reduzieren von Emissionsquellen (Strom-, Kälte und Wärmebedarf in Gebäuden, Betrieb von energieintensiven Anlagen und Infrastrukturen, z.B. Labore oder Tierhäuser, Dienstreisen, Veranstaltungen sowie Beschaffung und Abfallentsorgung), das Etablieren von standardisierten wie anpassbaren Verfahren für Bilanzierung und Monitoring sowie die Entwicklung von wirksamen, transparenten Steuerungs- und Berichtssystemen. Entscheidend für den Erfolg von Klimaschutzbemühungen sind also, neben dem Aufbau belastbarer Datengrundlagen, eine Steuerung nach dem Prinzip„Vermeidung vor Verringerung vor Kompensation“ und die Integration klimaschutzrelevanter Werte in Planungs- und Entscheidungsprozesse.
Die Pilotinstitute haben um diese Veränderungen anzustoßen, standardisierte, aber jeweils missionsspezifisch adaptierte Strategien entwickelt, um Emissionen entlang aller relevanten Wertschöpfungs- und Betriebsbereiche sichtbar, messbar und steuerbar zu machen. Sie verbinden technische Innovation (beispielsweise moderne Monitoring- und Energiemanagementsysteme, smarte Gebäudeleittechnik, ressourceneffiziente Labore), organisatorische Reform (Governance, Steuerung, Beteiligung, Qualitätsmanagement) und die Entwicklung individueller, institutsangemessener Kommunikation und Beteiligungsprozesse. Überdies wurde durch die Pilotvorhaben deutlich, dass Klimaschutz im Forschungsbetrieb ein gemeinschaftsübergreifendes Fundament aus Transparenz, Beteiligung, Verantwortungsstruktur, Innovationsbereitschaft und zielgerichtetem Ressourcenmanagement erfordert. Mit den Ergebnissen der Pilotvorhaben hat die Leibniz-Gemeinschaft - neben dem Fundus individueller Best Practices - nun auch eine solide, gemeinsame Basis für Peer-Learning, Standardisierung, kritische Reflexion und strategische Weiterentwicklung in Richtung Klimaneutralität.
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Bei der Bilanzierung, dem Ansatz von „Klimaschutzfahrplänen“ und dem Aufbau nachhaltiger Managementstrukturen haben die Pilotvorhaben ein Spektrum an möglichen Herangehensweisen gesetzt.
Hinsichtlich der THG-Bilanzierungen orientierten sich die Vorhaben an anerkannten Standards wie dem Greenhouse Gas Protocol, das in den meisten Einrichtungen als Bezugsrahmen für die Scope-übergreifende Ersterfassung und die Ableitung des Monitoring genutzt wurde (z. B. DIfE, IFW Kiel, SGN, PIK). Einige Vorhaben fokussierten sich darauf, die Bilanzsystematik auf eigene Besonderheiten anzupassen, (etwa bei der Erfassung komplexer Forschungsinfrastruktur wie Labor Groß- und Kältetechnik) und zugleich einen Schwerpunkt auf Übertragbarkeit und Fortschreibung für andere Institute zu gewährleisten. Im Anschluss an die Erhebung der eigenen Emissionstreiber, startete die Mehrheit der Pilotprojekte mit priorisierten Maßnahmenpaketen bzw. Klimaschutz-„Fahrplänen“ in Richtung Emissionsminderung. Technische Innovationen wie automatisiertes Energiemonitoring, dashboardbasierte Reportingtools, partizipative Maßnahmenentwicklung (z. B. Greening-Teams, Klimagremien, Ideenwettbewerbe bei PIK und IFW Dresden), und die Bildung interdisziplinärer Steuerungsstrukturen (vgl. DPZ, FVB, IÖR) sorgten für schnelles institutionelles Lernen – auch ohne, dass alles sofort vollständig digital ablief oder Daten sofort lückenlos verfügbar waren.
Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor war die bewusste Einbindung der Mitarbeitenden – Kommunikationskampagnen zu „Quick Wins“ (also vergleichsweise einfach umzusetzenden aber wirkungsvolle Maßnahmen wie LED-, Wasser- und Wärmesparprogramme, Rad-/Ladeinfrastruktur, Green-Office-Lab-Kampagnen), Workshops und transparente Zielkommunikation wurden vielfach als entscheidend für den Kulturwandel in den Instituten genannt. In partizipativen Prozessen konnten Lücken, Unsicherheiten und Fehlannahmen offen kommuniziert sowie iterativ und konstruktiv gelöst werden.
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Neben den Erfolgen sind auch die Erkenntnisse über die zentralen Herausforderungen ein wertvolles Ergebnis der Pilotvorhaben. So ist Scope 3 – also Emissionen etwa durch
Dienstreisen, Beschaffung, Veranstaltungsmanagement und Abfall – weiterhin das größte Problemfeld hinsichtlich Datenverfügbarkeit und Monitoring. Viele Pilotprojekte haben an dieser Stelle noch mit manuellen Eingaben, Annahmen oder lückenhaften Erfassungen gearbeitet; die Entwicklung von automatisierten, digitalen Schnittstellen zwischen Reise-, Beschaffungs- und Klimamanagementsystemen sowie die Integration von Drittdaten wird als „next step“ explizit empfohlen. Diese Problematik ist aber selbstverständlich nicht auf die Leibniz-Gemeinschaft begrenzt. Im Rahmen der Pakt-AG Nachhaltigkeit [2]ist ein fortwährender Austausch u.a. zu dieser Thematik empfehlenswert.
Ein weiteres Verbesserungspotenzial liegt im Bereich langfristiger institutioneller Verankerung: Während Governance-(Steuerungs-)Strukturen vielerorts (Nachhaltigkeitsbeauftragte, Green Teams, Steuerkreise) entstanden, bleiben diese zu häufig abhängig von einzelnen Personen und „gutem Willen“ Einzelner, anstatt in der institutionellen Führungsroutine und Haushaltsplanung verankert zu sein. Die Ergebnisse der Pilotvorhaben legen darum nahe, besonders wichtige Funktionsträger (Leitungen, Technik, Verwaltung, IT, Forschung) verbindlich und mit festen Zuständigkeiten einzubeziehen.
Als sehr deutliche Herausforderung macht sich auch die knappe Ausstattung mit Ressourcen und die Unsicherheit der Förderbedingungen bemerkbar: Gerade größere Investitionsmaßnahmen (Sanierung von Technik/Gebäuden, Ausbau EE, Digitalisierung) bleiben vielfach abhängig von Dritten und werden zu selten schnell und unbürokratisch unterstützt. Projektverzögerungen oder Unterbrechungen zeigen die Bedeutsamkeit ausreichender personeller Kapazitäten um das Thema kontinuierlich voranzutreiben.
Ein weiteres Feld künftiger Entwicklung ist die Schnittstelle von Kompensation und Wirkung über THG hinaus: Kompensation wird fast überall als „letzte Meile“ verstanden, doch gibt es zurzeit zu wenig Erfahrungen und Richtlinien, wann, wie und wie transparent auszugleichen ist. Ebenso bleibt die Verknüpfung mit SDGs, Biodiversitäts- oder sozialen Wirkungen meist optional und strategisch noch nicht strukturiert integriert.
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Die Gesamtschau der Empfehlungen aus den Pilotvorhaben verdeutlicht eine Reihe von Prinzipien, die anderen Leibniz-Instituten beim Aufbau ihrer eigenen Klimaschutzstrategie und -praxis besonders dienlich sein können. Alle Abschlussberichte heben hervor, dass eine erfolgreiche Transformation in Richtung klimaneutraler Forschungsbetrieb zuallererst robuste Strukturen und klare Verantwortlichkeiten benötigt. Es empfiehlt sich, von Beginn an ein festes Team oder einen zentralen Beauftragte*n mit ausreichend Zeit und Kompetenzen einzusetzen und aktiv auch die Querschnittsabteilungen – insbesondere Technik, Finanzen und Controlling – einzubinden. Die frühzeitige Einbeziehung und Sensibilisierung möglichst vieler Mitarbeitender und Abteilungen erhöht nachweislich die Qualität und Tragfähigkeit des Prozesses.
Zweites gemeinsames Leitmotiv ist die Datenbasis: Eine sorgfältige, am besten institutionell und digital verankerte Erhebung und Pflege aller relevanten Verbrauchs- und Emissionsdaten ist das Fundament für eine glaubwürdige Bilanzierung, ein wirksames Monitoring und belastbare Maßnahmenplanung. Für die Datenerhebung sowie für das Aufstellen und Weiterführen der Bilanzierung sollten ausreichend Zeit und Ressourcen eingeplant werden. Annahmen und Lücken sollten transparent dargestellt werden. Die Praxis zeigt, dass die erste Bilanz erfahrungsgemäß nicht perfekt, aber ein notwendiger Startpunkt ist und mit jeder Iteration besser wird.
Ein weiteres Schlüsselthema ist das Management der Prozesse und Ressourcen: Zeit, Budget und Personalbedarf müssen realistisch geplant werden. Erfahrungswissen aus vergleichbaren Häusern (etwa durch Vor-Ort-Besichtigungen oder Workshops) sollte aktiv genutzt werden. Insbesondere bei der Auswahl externer Dienstleister ist nicht nur der Preis, sondern auch Passung, Kommunikationsfähigkeit und Betreuungsqualität entscheidend. Früh begonnen werden sollte zudem mit der Identifikation und Beantragung von Fördermöglichkeiten.
Viele Institute weisen zudem auf die Bedeutung von Commitment auf Leitungsebene hin. Ohne Führungseinbindung, sichtbare Unterstützung durch die Leitung und formale Verankerung in Strategie und Zielsystem bleibt Klimaschutz häufig Stückwerk. Erst wenn die institutionellen Zielsetzungen, Leitbilder und Maßnahmen systematisch miteinander verknüpft werden, gelingt die nachhaltige Verankerung.
Weitere allgemeine oft angesprochene Empfehlungen lauten:
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Sinnvoll ist ein schrittweises Vorgehen, das von Quick Wins mit niedriger Umsetzungshürde zu komplexeren, mittel- bis längerfristigen Klimaschutzmaßnahmen mit hohen THG-Einsparungen führt. Erfolgsentscheidend scheint es, technische Maßnahmen (Sanierung, PV, IT‑Upgrade, Mobilität) von Beginn an mit Governance, Kommunikation, Personalentwicklung und Beteiligung zu verzahnen – also ein integriertes Change-Management anzustreben.
Die Konsolidierung und der offene Austausch von Werkzeugen, Prozessen und Lessons Learnt – institutionalisiert durch Workshops, Peer Learning, gemeinschaftliche Plattformen und offene Dokumentation (Templates, Vorlagen, QM‑Prozesse) – stellt einen Schlüsselfaktor auf Metaebene dar. Die Workshops der Leibniz‑Gemeinschaft haben bewiesen, dass echter, transparenter Austausch, Fehlerkultur und regelmäßiges „Peer‑Review“ das vorhandene Wissen für alle zugänglich, anschlussfähig und praktikabel macht.
Mit Blick auf weitere Schritte ist aus den Erkenntnissen der Pilotvorhaben abzuleiten: Wissenschaftliche Klimaneutralitätsprojekte sind keine Einmalübung, sondern ein lernender, langfristiger Prozess, dessen Stabilität und Wirksamkeit von der Offenheit für Anpassung und gemeinschaftlichem Lernen abhängt. Die Pilotvorhaben machen deutlich, dass Fortschritt nicht nur von einzelnen (finanziellen) Investitionen abhängt, sondern durch entsprechende Prioritätensetzung (besonders der Führungsebenen), Motivation, ausreichend Kapazitäten und Kooperation unter den Mitarbeitenden, sowie dem gemeinschaftsübergreifenden Austausch, auch große Hebel mit vergleichsweise geringen Mitteln bewegt werden können.
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[1] Eingebettet in die Stellungnahme der Allianz der Wissenschaftsorganisationen zum Ziel der Klimaneutralität – mehr Infos hier.
[2] Die AG Nachhaltigkeit ist eine Arbeitsgruppe auf operativer Ebene, die den Austausch zwischen den vier außeruniversitären Forschungsorganisationen des Pakts für Forschung und Innovation (Fraunhofer, Helmholtz, Leibniz, Max-Planck) zu Nachhaltigkeitsthemen zum Ziel hat. Sie behandelt sowohl strategische als auch operative Aspekte der Nachhaltigkeit mit variierenden Schwerpunkten.